Arbeitsbesuch in Brüssel

Vom 17.-18. Januar 2024 habe ich einen Arbeitsbesuch in Brüssel absolviert. Dabei stand der Austausch mit ausländischen Armeechefs im Fokus, ebenso wie ein Auftritt im Militärkommittee der NATO, zusammen mit den anderen Nicht-NATO-Nationen, und ein Treffen der Gruppe dieser Partner, die sich ‚Partner Interoperability Advocacy Group’ oder PIAG nennt. Im Folgenden werde ich näher darauf eingehen.

 

Die Schweiz nimmt seit 1996 an der Partnerschaft für den Frieden der NATO teil. Nach der Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 wurde das Ziel verfolgt, durch eine engere Zusammenarbeit in Europa, insbesondere mit Russland, den Frieden und die Stabilität zu erhöhen. Interessanterweise ist die damalige russische Föderation bereits 1994, also zwei Jahre vor der Schweiz, Mitglied der Partnerschaft für den Frieden der NATO geworden. Die Zusammenarbeit mit Russland wurde erst im Jahr 2014, nach der Annexion der Krim durch Russland, eingefroren.

 

Warum ist Interoperabilität wichtig?

Dieser Begriff steht für einheitliche Grundlagen zur Zusammenarbeit von Armeen untereinander. Für die Schweiz ist vor allem die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern relevant. Abgesehen von dem ebenfalls neutralen Österreich sind unsere Nachbarn Mitglied der NATO und wenden deren Standards an. Zusätzlich dazu ist die NATO der de facto Standard für westliche Armeen, ähnlich wie die USA in der Luftfahrt. Die NATO investiert viel in die Weiterentwicklung von Prozessen, Strukturen, Verfahren, Standards und Technologien. Aufgrund unserer vergleichsweise begrenzten finanziellen Mittel hätten wir in der Schweiz gar nicht die Möglichkeit, solche Grundlagen selbst zu entwickeln. Hinzu kommt, dass das Parlament von der Schweizer Armee erwartet, Systeme bei der Beschaffung nicht mehr anzupassen, diese nicht zu ‚helvetisieren‘. Daher passen wir uns auch gezwungenermaßen an die NATO-Standards an.

 

Was ist die ‚Partner Interoperability Advocacy Group’ (PIAG)?

Die Nicht-NATO-Nationen in der Partnerschaft für den Frieden haben sich ausserhalb der NATO-Strukturen in einem Think Tank namens PIAG organisiert. Das Ziel ist es, die Interoperabilität zu erhöhen und von dem Wissen der NATO zu profitieren. Ein Thema, das am Treffen diskutiert wurde, ist die Einladung zur Beteiligung an einer geplanten Übung der NATO im Jahr 2025. Dabei soll die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Nationen vor allem auf politischer und dann auch militärischer Ebene trainiert werden. Das Szenario ist in hypothetischer Konflikt im Kosovo. Dies ist für die Schweiz von Bedeutung, da etwa 200 Armeeangehörige im Rahmen der Swisscoy im Kosovo im Einsatz stehen. Ein weiteres wichtiges Thema war ein Update zu konkreten Aktivitäten im Bereich Cyber.


Persönlicher Austausch mit anderen Armeechefs

Es fanden am Treffen unter anderem informelle Austausche mit den Armeechefs von Deutschland, Österreich, Estland, Italien und Polen statt. Der Vorteil solcher Treffen liegt vor allem in ihrer Effizienz, da alle Gesprächspartner vor Ort sind und keine einzelnen Reisen in die jeweiligen Länder erforderlich sind. Am wichtigsten sind jedoch, wie überall, die persönlichen Beziehungen. Dadurch können bei Bedarf Probleme schnell gelöst werden. Dies war beispielsweise schon bei der Rückführung von Schweizern aus Krisengebieten relevant. Unsere Nachbarstaaten Deutschland und Österreich sind traditionell enge Partner. Mit Österreich verbindet uns beispielsweise der gemeinsame Schutz des Luftraums über dem WEF. Estland verfügt wie die Schweiz über eine Milizarmee und ein Mobilmachungssystem. Der Austausch von Erfahrungen ist hierbei äußerst wertvoll und wurde im Laufe der Jahre gepflegt. Natürlich werden keine klassifizierten Informationen ausgetauscht. Italien hat den F-35 bereits seit 2019 im Einsatz, und wir können von den gemachten Erfahrungen profitieren. Im vergangenen Herbst konnten wir Italien besuchen und uns unter anderem über die Fähigkeiten zur Drohnenabwehr austauschen.

4 Antworten

  1. Sehr geehrter Herr Korpskommandant Süssli

    Mit grosser Begeisterung habe ich Ihren Blog gelesen. Sie finden treffende Worte zur benötigten Lernkultur und runden diese noch dazu mit den weisen Worten General McCrystals ab. Kein Kritiker bestehender Armeeprozesse hätte bessere Vorschläge zur Optimierung machen können, wie Sie sie aufführen.

    Bedauerlicherweise werden Ihre Vorstellungen innerhalb der Armee noch immer zu selten gelebt. Wie sonst kann es sein, dass auf Medienkonferenzen von Bund und BAG, aber auch von der Armee, über einen möglichen zweiten Corona-Einsatz bzw. eine zweite Mobilmachung gesprochen wird, die davon betroffenen AdAs und deren Arbeitgeber aber ausser einem Aufruf, sich freiwillig zu melden, nicht informiert wurden? Bei der ersten Mobilmachung hat es mehrere Wochen gedauert, bis die Armee die Arbeitgeber der Eingezogenen orientiert hat. Ich hatte gehofft, hier hätte ein Lernprozess stattgefunden. Auch wenn die Armee natürlich nicht voraussagen kann, wer wann und wo eingesetzt wird, so haben die öffentlichen Aussagen der letzten Tage unterstrichen, dass die Armee Szenarien und Optionen aufgestellt hat. Diese in groben Zügen den Betroffenen und deren Arbeitgebern mitzuteilen würde für eine gewisse Sicherheit, für Verständnis und für Motivation sorgen. In meiner zivilen Kaderposition wie auch als Wachtmeister eines Spitalbataillons weiss ich, wie fundamental wichtig selbst grobe Informationen für die Motivation der Unterstellten ist. Dies hat die Schweizer Armee unter 4.1.1 in ihrer Militärethik vom 1. September 2010 selbst festgehalten. Ich bin enttäuscht, dass nicht danach gehandelt wird. Mit dem oft propagierten Respekt und Dank für die mobilgemachten Truppen hat das Nichts zu tun.

    Leider habe ich keine andere Möglichkeit, mein Unverständnis über die bis jetzt unterlassenen Informationen zum Ausdruck zu bringen, wie dies auf Ihrem Blog zu kommentieren. Denn bedauerlicherweise weicht das Personelle der Armee meiner Frage nach Informationen aus und ignoriert sie. Stattdessen erfährt man die Informationen, die offenbar vorhanden gewesen wären, aus den Medien. Es erinnert an die Situation vom Frühjahr, als die Medien gewisse Informationen publizierten, bevor diese den Dienstweg hinab zur Truppe gelangten. Bitte verhindern Sie, dass diese Fehler aus dem Frühjahr wiederholt werden.

    In grösster Hochachtung

    1. Sehr geehrter Herr Hruby

      Besten Dank für Ihr Feedback. Die Information unserer Armeeangehörigen ist mir wichtig und so haben wir bereits vor dem Entscheid des Bundesrates vom 04.11.2020 sowohl die Arbeitgeberverbände als auch auf Social Media unsere Armeeangehörigen informiert. Verbindlich informieren konnten wir aber natürlich erst nach dem Bundesratsbeschluss für den Assistenzdienst und der Bewilligung der ersten Gesuche letzten Freitag. Vorher hätten wir gar nichts über die zu erbringenden Leistungen sagen können.

      Ich nehme Ihr Feedback gerne so entgegen und wir werden zusammen mit unseren Kommunikationsspezialisten überlegen, wie wir in Zukunft und bei neuen Aufgeboten besser informieren können. Insbesondere muss die Truppe im Dienst immer vor den Medien informiert werden, da gebe ich Ihnen recht.

      Freundliche Grüsse, Thomas Süssli

  2. Sehr geehrter Herr Corkommandant Süssli.
    Danke für Ihre Ausführungen.
    Ich bin einer Alter Soldat, Jg 1953. Aber gerade zur Ausbildung habe ich doch noch einiges zu Sagen.
    Wir haben stundenlang Daumenbasisverbände geübt. Unsere Ausrüstung war völlig veraltet, jeder der hinsehen konnt war entsetzt.
    Wenn ich von jungen Soldaten höre, wie die RS gestaltet ist, so tönt das oft ähnlich.
    Bitte kümmern Sie sich darum. In der Ausbildung braucht es die Besten, gute Pädagogen und es braucht dringend frischen Wind. Wenn Rekruten herumsitzen, so passiert auch mental ein Desaster.
    Ich beurteile die politische Situation heute als sehr gefährlich, Russland, China und jetzt letztlich auch Amerika sind nicht mehr transparent und berechenbar. Wenn in den USA eine praktisch 40%-ige Mehrheit für Trump wählt, der sich klar as Antidemokrat outet und seine Waffennarren freies Spiel erlaubt. Das ist sehr gefährlich. Für mich ist auch ganz klar, dass wir nur im Verband mit Europa noch eine Chance haben werden.

    1. Sehr geehrter Herr Meili

      Danke für Ihr ehrliches Feedback. Ich bin mit Ihnen einig, dass die militärische Ausbildung unsere Soldatinnen und Soldaten auf Einsätze vorbereiten muss. Das braucht anspruchsvolles und realitätsnahes Training, basierend auf modernen pädagogischen Grundlagen. Wir werden in den nächsten Monaten mit einer neuen Ausbildungskonzeption beginnen, die unsere Armeeangehörigen auf die Bedrohungen von 2030 und später vorbereitet.

      Die Welt ist in der Tat volatiler, unsicherer, komplexer und vieldeutiger geworden. Damit kann jederzeit alles passieren. Die Schweizer Armee ist die letzte Sicherheitsreserve der Schweiz und muss bereit sein für vielfältige Herausforderungen.

      Freundliche Grüsse, Thomas Süssli

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Über mich

Willkommen auf meinem Blog. Lesen Sie hier meine Meinung zu Themen, die mir wichtig sind.

Ich stehe ein für eine Schweizer Milizarmee, die offen ist für alle. Wir sind Bürgerinnen und Bürger in Uniform.

Ich stehe ein für eine Schweizer Landesverteidigung, die ehrlich ist. Wir sind selbstkritisch und entwickeln uns stetig weiter. Die Armee ist kein Selbstzweck.

Ich stehe ein für eine Schweizer Armee, in der im Sinne der Auftragstaktik geführt wird, basierend auf gemeinsamen Werten.

Wir drängen uns nicht auf, aber wenn es uns braucht, sind wir bereit. Dafür trainieren wir jeden Tag.

Viel Spass beim Lesen!

Thomas Süssli

Aktueller Podcast

Neuster Blogbeitrag

Über mich

Willkommen auf meinem Blog. Lesen Sie hier meine Meinung zu Themen, die mir wichtig sind.

Ich stehe ein für eine Schweizer Milizarmee, die offen ist für alle. Wir sind Bürgerinnen und Bürger in Uniform.

Ich stehe ein für eine Schweizer Landesverteidigung, die ehrlich ist. Wir sind selbstkritisch und entwickeln uns stetig weiter. Die Armee ist kein Selbstzweck.

Ich stehe ein für eine Schweizer Armee, in der im Sinne der Auftragstaktik geführt wird, basierend auf gemeinsamen Werten.

Wir drängen uns nicht auf, aber wenn es uns braucht, sind wir bereit. Dafür trainieren wir jeden Tag.

Viel Spass beim Lesen!

Thomas Süssli

Weiterführende Links